Chronik 1893-1943

Fahnenweihe_1897

Fahnenweihe am 23. Mai 1897

Die wirtschaftlichen Verhältnisse

In Mainaschaff lebten um 1900 insgesamt 228 Familien und 1171 Einwohner. Davon waren 47 Bauern, 47 Maurer, 29 Fabrikarbeiter und 17 Tagelöhner. Den Rest bildeten 4 Schuhmacher, 3 Bäcker, 3 Zimmerleute, 3 Wagner, 4 Tüncher, 3 Metzger und 6 Gastwirte.

Die Landwirtschaft, der Garten- und Obstbau wurden intensiv betrieben. Neben den Bauern besaß fast jede Familie, als Folge der Realteilung nach dem Mainzer Landesrecht, einige Grundstücke, die im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden. Zweimal wöchentlich belieferten die Mainaschaffer den Markt in Aschaffenburg mit Gartenerzeugnissen. Fast jede Familie hielt mindestens eine Ziege und über den Sommer wurde ein Schwein gefüttert. Anders als in manchen Gegenden des Spessarts hatten die Mainaschaffer ihr Auskommen. Allein die Marktfrauen bewirtschafteten so viel, dass die Familie davon leben konnte. Die Maurer waren meist auswärts. Auf großen Baustellen in ganz Deutschland konnte man sie antreffen. Vom 1. November bis Ostern ruhte ihre Tätigkeit.

Die politischen und kulturellen Verhältnisse

Die Wahlen erfolgten bis 1918 nur nach einer aufgestellten Liste. Parteien oder Wählervereinigungen traten erst nach 1918 in Erscheinung. Der Pfarrer, der Bürgermeister und der Lehrer bestimmten im Wesentlichen die Gemeindepolitik. Seit 1873 gab es einen Arbeiterverein, der 1892 bereits 86 Mitglieder zählte und seit 1883 mit dem Arbeiter-Krankenunterstützungs- und Sterbekassenverein einen Verein bildete.

Die Gründung

des “Gesangverein Edelweiß” am 01. November 1893 war der erste kulturelle Zusammenschluss in der Gemeinde. Die stattliche Zahl von 30 sangesfrohen Männern rief den Gesangverein Edelweiß ins Leben. Nach der Gründungspräambel des “Gesangverein Edelweiß” vom 19.11.1893 war der Zweck die “Pflege und Ausbildung des mehrstimmigen Männergesangs in gesellschaftlicher Einigung zur Erhebung des Gemütes und Veredelung des Geistes”. Die Verfolgung politischer Zwecke wurde für immer ausgeschlossen. Weitere → Aphorismen.

Gründungspräambel vom 19.11.1893

An der Spitze des Vereins stand der 1. Vorstand, Joseph Schättler. Der Ausschuss bestand aus: Joseph Schättler – Vorstand / Benedikt Elbert – Kassier / Johann Fleckenstein – Schriftführer / Martin Roth – Conservator / Simon Herrmann – Revisor / Georg Rücker, Franz Schuck, Vitus Schlett, Philipp Schneider – Beisitzer.

In der Öffentlichkeit trat der Gesangverein zunächst noch nicht auf und beschränkte sich auch in den folgenden Jahren auf eine Weihnachtsfeier, einen Ball und eine Herbstveranstaltung, die als Abschied für jene Mitglieder gedacht war, welche als Rekruten die Heimat verlassen mussten.

Am 25. Januar 1894  verabschiedete sich Karl Rettelbach, Dirigent des Gesangvereins “Edelweiß”. In ihm verliert die Gemeinde einen braven, tüchtigen Lehrer und ebenso der Gesangverein einen trefflichen Dirigenten. Wir wünschen Herrn Rettelbach in seiner neuen Stellung viel Glück und rufen ihm ein herzlich Leb wohl zu. Danach lag die Dirigentenschaft in den Händen von Herrn Musiklehrer Schröder aus Aschaffenburg und bot Gewähr für Erfolg im Gesang.

1894 weist das Mitgliederverzeichnis 29 aktive und 25 passive Mitglieder aus. Der Chronist verschweigt auch nicht, dass Feuereifer schon damals nicht jeden beseelte, weshalb man für Versammlungs- und Probeschwänzer als Strafe im ersten Fall 10 Pfennig, im zweiten Fall 20 Pfennig und im dritten Fall gar den Ausschluss festlegte. Die Strafgelder waren für die Anschaffung der Fahne bestimmt.

1895 erhielt der damalige Vereinsdiener Alois Roth (geb. 1876) als Neujahrsgabe eine “Vereinsmütze”, wofür er sich auf 3 Jahre zu diesem Dienst verpflichten musste. Am 07. Juli 1895 hielt der Verein ein Waldfest ab, an welchem sich die Gesangvereine “Sängerkranz” und “Sängerhort Damm” und “Bavaria Stockstadt” beteiligten. Die sehr gut vorgetragenen Lieder wechselten ab mit den Vorträgen zweier Musikkapellen, während ein vorzüglicher Stoff aus der Gesellschaftsbrauerei Aschaffenburg den Durst bezwang. So verlief das Fest in schönster Ordnung ohne durch den geringsten Misston gestört worden zu sein.

Am 12. Oktober 1895 hielt man eine außerordentliche Generalversammlung ab, bei der sieben Sänger wegen »Dem Verein gegenüber gethanen frechen Äußerungen« für immer aus dem Verein ausgeschlossen wurden.

Deshalb drohte dem Vereinsschifflein 1896 Sturm. Im Dorf feierte ein zweiter Gesangverein sein Geburtsfest. Einige Mitglieder wechselten zu diesem neuen Verein. Aber die Wogen glätteten sich und der Verein konnte einen Bestand von 25 Aktiven halten.

1896 erwarben die Sänger unter großen Opfern ein Klavier im Werte von 350,00 Mark, welches durch eine Bürgschaft finanziert wurde. Alle Mitglieder hafteten persönlich bis die ganze Schuld getilgt war.

Am 7. Juni 1896 nahm das Waldfest des Gesangvereins “Edelweiß” am Schluss ein blutiges Ende. Ein Mainaschaffer erhielt zwei Messerstiche in den Rücken und in die Brust, so dass die Lunge verletzt wurde und an dem Aufkommen des Verwundeten (Gustav Roth) gezweifelt wird. Ein anderer Mainaschaffer erhielt einen Stich in den Kopf. Schon vorher hatte eine Keilerei zwischen Kleinostheimern und Mainaschaffern stattgefunden, die im weiteren Verlauf diesen traurigen Ausgang nahm.

Mit dem Aus­klang des Jahres 1896 hatte noch eine Schreckensbotschaft unser Dorf durcheilt. In der Hanauer Straße am Stadteingang, war die »Kromersche Pulverfabrik« in Schutt und Asche gelegt worden.

»Von dem Turme schwer und bang tönt die Glocke: Grabgesang! Ernst begleiten ihre Trauerschläge einen Wanderer auf dem letzten Wege«.

Der Verein erachtete es als einen Akt der Pietät, zwei vorgesehene Veranstaltungen am 10. Januar und 2. Februar ausfallen zu lassen und 8 Wochen kein öffentliches Auftreten zum Zeichen der Teilnahme für betroffene Familien der Vereinsmitglieder stattfinden zu lassen.

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Anton Groß Chorleiter 1895-1900

Am 22. Februar 1897 veranstaltete der Verein im “Schwanen” (Gastwirtschaft Koch) seine karnevalistische Unterhaltung. Schon vor der angesagten Stunde war der Saal so dicht besetzt, dass später Erscheinende keinen Platz mehr fanden. Der Verein unter Leitung des Herrn Lehrer Groß leistete Vorzügliches. Er scheute keine Kosten und Mühe seine Mitglieder recht “humoristisch” zu unterhalten. Daher war denn auch die Stimmung “urfidel”, so dass erst die späte Stunde an das Zuhausegehen mahnte.

Als einen Markstein in der Vereinsgeschichte bezeichnet das Protokoll die Anschaffung einer Fahne als äußeres Zeichen der Zusammengehörigkeit. Mit der Abhaltung eines Fahnenweihfestes im am 23. Mai des Jahres 1897 wurde dieses große Ereignis gebührend gefeiert. Als Patenverein stand der “Sängerkranz Damm” zur Verfügung. Um 9 Uhr fand der Fest­gottesdienst mit Einsegnung der neuen Fahne statt, hieran reihte sich ein Frühschoppen im Gasthaus zum “Schwanen”. Um 2 Uhr bewegte sich der Festzug durch die Straßen des Ortes zum Fest­platz, der sich im Tannenwäldchen an der Hanauerstraße befand. Dort selbst gab es Musik, Gesangsvorträge und Volksbelustigungen. Siehe → Programmablauf!

Festwagen zum Fahnenweihfest, 23. Mai 1897 Im Hintergrund rechts: Lehrer Anton Groß (mit 36 Jahren)

Der Gesangverein “Edelweiß” beging am 14.03.1898 im “Anker” in festlicher Weise das Ge­burtsfest Seiner Königlichen Hoheit des Prinzregenten. Die Räumlichkeiten waren schon vor Beginn der Feier überfüllt. In begeisterten Worten pries als Festredner Herr Groß die Tugenden des hohen Jubilars. Der Rede folgte, gespielt von der Mainaschaffer Kapelle und gesungen von allen Anwesenden die Königshymne. Im weiteren Verlauf des Abends wechselten Vorträge, Gesänge, Musikstücke und Toaste in bunter Folge ab. Die Feier nahm in allen Teilen einen hoch befriedigenden Verlauf.

Das Jahr 1899 bringt dem Verein das erste Ehrenmitglied in der Person des Herrn Lehrers Groß, als Anerkennung für die Verdienste und Mühen, welche er dem Edelweiß als Dirigent und Berater zuteil werden ließ.

10 Jahre Edelweiß

Am 15. Januar 1903 wurde beschlossen, das 10-jährige Stiftungsfest im großen Rahmen zu feiern und auswärtige Brudervereine dazu einzuladen. Ein Lampionzug am Kommersabend durch die Straßen des Dorfes war der Auftakt zum Feste. Am Festsonntag zog ein stattlicher Festzug durch das Dorf. Der Festplatz war diesmal am Dorfeingang. Der “Gesangverein Edelweiß” zählte nun 45 aktive Mitglieder. Von den Frauen der Vereinsmitglieder wurde ein prachtvolles Fahnenband durch Frau Magdalena Schättler überreicht.

Reihenfolge der Gesangsvorträge vom 05. Juli 1903

1905 – Eintritt in den Deutschen Arbeitersängerbund

Der Gesangverein Edelweiß wurde Mitglied des Rhein-Main-Gaues im 16. Bezirk und benannte sich nun Arbeitergesangverein.

Iganz Roth

Ignaz Roth Bild: 1929

1906 wurde Ignaz Roth neuer Vorstand. Herr Joseph Schättler war damit nach 12-jähriger schaffensfroher Arbeit ausgeschieden. Er hatte den Verein auf 50 aktive und 40 passive Mitglieder gebracht. Neuer Schriftführer wurde Herr Georg Lang. In den folgenden Jahren fanden viele Familienunterhaltungen, Waldfeste und Tanzveranstaltungen statt. Alle Mitglieder waren bestrebt, keine Veranstaltung zu versäumen und so dem Verein die Treue zu beweisen.

Ein weiterer Höhepunkt im Vereinsleben war das 3. Bundesfest des Arbeitersängerbundes in Hanau. 1906 sind im Festbuch 135 Vereine mit ungefähr 9000 Mitgliedern verzeichnet. Aufgelistet finden wir dabei auch den Gesangverein Edelweiß.

1906 wurden beim 3. Bundesfest des Sän­gerbundes Rhein-Maingau in Hanau (Motto: »Heil freiem Volk! Heil freiem Lied!«) als Massenchöre gesungen: »Empor zum Licht« (1179 Sänger), »Festgesang« (1054 Sänger), »Stolz und kühn« (587 Sänger), »Dem Lenz entge­gen« (451 Sänger), alle von Gustav Adolf Uthmann, ferner »Liebeslust« (562 Sän­ger unter einem Hanauer Dirigenten na­mens Josef Centner) und »Wir glauben an der Freiheit Sieg« (284 Sänger), beide von O. Suchsdorf.

Valentin Schlett Bild: 1910

Valentin Schlett – Bild: 1910

1909 bringt eine Änderung in der Vorstandschaft. Herr Ignaz Roth legte sein Amt als Vorstand nieder und an seine Stelle tritt Herr Valentin Schlett.

Nachdem der Verein in den Arbeitersängerbund eingetreten war, ist es ihm am 16. Mai 1910 das erste Mal ver­gönnt gewesen, bei dem Konkurrenz-­Singen in Seligenstadt als Konkurrent un­ter 19 Vereinen teilzunehmen und konn­te mit dem Pflichtchor das „Heilige Feuer“ und dem Volkslied „Heimat aus der Ferne” 85 Punkte erringen.

Das Protokoll des Vereins verzeichnet ab dem Jahre 1910 rege Beteiligung an Konkurrenzsingen innerhalb seines Bezirkes in: Frankfurt, Hanau, Babenhausen, Seligenstadt, Schaafheim und Aschaffenburg. Zur Aufführung gelangten jeweils ein Freiheitschor und ein Volkslied. Die erhaltenen Kritiken wurden als einwandfrei bezeichnet. (Siehe die drei Artikel 1922, 1925 und 1926 mit Bildergalerie auf dieser Seite!)

Der Chronist schrieb: »Größten Anteil an diesen Erfolgen wurde den beiden Dirigenten Herrn Albrecht Ziegler und Herrn Sebastian Schwarz zugeschrieben. Beide wurden mit dem Titel Ehrendirigent ausgezeichnet. Herr Sebastian Schwarz leitete auch gleichzeitig die nach ihm benannte Musikkapelle Schwarz, welche den “Gesangverein Edelweiß” bei allen Volkskonzerten, Vereinsfeiern, Festbesuchen und Ausflügen begleitete«. Die Verbindung dieser beiden Kulturträger konnte als sehr vorteilhaft bezeichnet werden.

Am 28. Juni 1912 unternahm der Verein seinen ersten größeren Ausflug an den Rhein. 120 Personen mit der Musikkapelle Schwarz nahmen daran teil.

Sebastian Schwarz

Kapelle Schwarz V.l.n.r.: Sebastian Schwarz (Rasierer-Bast), Heinrich Roth, Sebastian Schwarz (Leiter), Sebastian Glaab, Michael Merget, Josef Gentil, Valentin? Neuberger

20 Jahre Edelweiß

Am 5. Januar 1913 fand ein Volkskonzert anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Vereins statt. Neben Chören und Konzertmusik kamen auch die Vereinssolisten Ignaz Roth, Sebastian Glaab, Johann Lang, Sebastian Schwarz und Christel Roth zu Worte. Die Leitung hatte Herr Ziegler.

Herr Valentin Schlett legte sein Amt als Vorstand nieder und Herr Ignaz Roth trat 1914 zum 2. Male an die Spitze des Vereins. Auch Altmeister Ziegler war müde geworden und übergab den Dirigentenstab an Herrn Sebastian Schwarz. Am 26. Juli 1914 nahm der Verein unter Leitung des Dirigenten Herrn Sebastian Schwarz am 4. Konkurrenzsingen in Seligenstadt teil, und wurde Vierter unter zwölf Vereinen. Auf dem Heimweg von diesem Sängerwettstreit ereilt das Dorf die Kunde von den ersten Schüssen auf dem Balkan. 70 Mitglieder wurden an die Front eingezogen. 13 kamen nicht mehr zurück. Der Verein unterbrach daraufhin für die Zeit des 1. Weltkrieges seine Tätigkeit. Als sich die Mitglieder 1918 wieder formierten, befand sich der “Gesangverein Edelweiß” in seinem 25. Gründungsjahr, welches würdigen Ernstes gefeiert wurde.

1919 zählte der Verein 60 aktive und 100 passive Mitglieder.

Am 25.04.1919 schied Hauptlehrer Anton Groß nach 25-jähriger Tätigkeit aus der Gemeinde. Am Abend über­reichte ihm die Gemeindeverwaltung zum Zeichen des Dankes für die segensreiche, rastlose Arbeit, die Herr Hauptlehrer Groß in Schule und Gemeinde für das allgemeine Wohl geleistet hatte, eine Ehrengabe. Der “Arbeitergesangverein Edelweiß”, dessen langjähriger Dirigent Anton Groß gewesen und nunmehriger Ehrenpräsident war, hatte sich zum Abschiedsständchen ein­gefunden. Der Verein brachte drei ausdrucksvolle, gut geschulte Chöre zum Vortrag. Im Anschluss gedachte der Vorstand des Vereines, Ignaz Roth, der Verdienste, welche sich Hauptlehrer Groß für den Verein erworben hatte. Der Abend fand seinen Abschluss im Vereinslokale des “Edelweiß”, wo sich die Gemeindeverwaltung und die Sängerschar zahlreich eingefunden hatten.

Erst 1920 fanden wieder öffentliche Veranstaltungen wie Faschingsball, Lieder- und Konzertabend, sowie Weihnachtsfeier mit Theater statt. Ebenfalls fand am 1. November eine Gefallenenehrung auf dem Friedhof statt. Der Liedertag am 30. Mai in Aschaffenburg brachte den Verein unter Mitwirkung von 17 Chören auf den 4. Platz.

Am 10.09.1921 bildete sich auf Anregung des 2. Dirigenten Stefan Schlett  ein Gemischter Chor. Die männlichen Mitsänger mussten aktive Mitglieder des Männerchores sein, die Damen wurden als Mitglieder betrachtet und waren beitragsfrei. Ein Vertreter des Gemischten Chores war im Ausschuss vertreten und die Unkosten wurden aus der Vereinskasse bestritten. Eventuell angeschafftes Inventar würde nach Auflösung dem Hauptverein zufallen. Alois Kullmann unterschrieb stellvertretend für den Chor das Protokoll. Auftritte am 06.06.1923 zum 30-jährigen Jubiläum im Bayrischen Hof und am 20.06.1923 in Glattbach sind im Protokoll belegt.

1922 stieg die Zahl auf 70 aktive und 180 passive Mitglieder.

Am 14. Mai 1922 nahm der Verein am Liedertag in Aschaffenburg teil. Die Kritik über die Leistungen der Chöre wurde gedruckt und den Vorsitzenden zugeleitet. Drei solcher Exemplare befinden sich noch in Mainaschaff. Die Kritik des Wertungsrichters über den “Edelweiß” finden Sie auf Seite 13 in der folgenden Galerie:

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Stefan Schlett

Stefan Schlett

Sebastian Schwarz (Bild 1925)

Sebastian Schwarz (Bild 1925)

Am 15. August 1922 reichte Herr Sebastian Schwarz, infolge geschäftlicher Überlastung, nach acht Jahren sein Abschiedsgesuch als Dirigent ein, was allgemein bedauert wurde. An seine Stelle trat Herr Stefan Schlett als wohl jüngster Dirigent des Bezirks.

30 Jahre Edelweiß

Am 3. Juni 1923 feierte man in großzügiger Weise das 30-jährige Gründungsfest. Diesmal fand die Feier im Bayrischen Hof statt.

Bayrischer Hof um 1904

Am 15.09.1923 legte Ignaz Roth sein Amt als Vorstand nieder und Theodor Bernhard wurde an seiner Stelle gewählt. Bemerkenswerter Weise ließ sich der neue Vorstand an der Generalversammlung vom 05.01.1924 die tatkräftige Mithilfe seiner Ausschussmitglieder mit Unterschrift bestätigen.

Der “Arbeitergesangverein Edelweiß” hielt am 23.03.1924 im Gasthaus zum Bayerischen Hof ein öffentliches Konzert ab. Das reichhaltige Programm versprach einen genussreichen Abend, jedoch ließ der Besuch zu wünschen übrig.

Am 19.04. 1924 trat ein Wechsel in der Dirigentschaft ein. Herr Stefan Schlett legte sein Amt nieder. Wir verloren mit ihm einen tüchtigen Mann. Grund waren kleine Zwistigkeiten betreffs des Liedermaterials. Herr Sebastian Schwarz übernahm auf Bitten von Valentin Schlett wieder die Chorleitung.

Unter Anteilnahme der gesamten Bevölkerung vollzog sich am 11.11.1924 die eindrucksvolle, erhebende Friedhof-Einweihungsfeier. Unter den Klängen der vereinigten Musikvereine zog man nach dem Amte zur zu weihenden Stätte. Während der kirchlichen Segnungen des neuen Friedhofes trugen die beiden Gesangvereine “Edelweiß” und “Melomania” unter dem Dirigenten Sebastian Schwarz als Massenchor “Die Himmel rüh­men” in mustergültiger Weise vor. Damit war die Begräbnisstätte ihrem Zweck übergeben.

Bezirkssängerfest & 30-jährige Bannerweihe 1925

Bannerweihe 1925

Maria Kullmann

Prolog von Maria Kullmann aus dem Jahre 1925, Seite 1

1925 durfte der Verein voller Stolz ein Bezirkssängerfest ausrichten. Unter 22 Mitbewerbern war es ihm vergönnt, die Arbeitersänger innerhalb der Mauern Mainaschaffs willkommen zu heißen. Vom 13. – 15. Juni 1925 feierte der “Arbeiter-Gesangverein Edelweiß” sein 30-jähriges Bannerweihfest, verbunden mit dem ersten Bezirkssängerfest. Eingeleitet wurden die Feierlichkeiten mit einem Festkommers am Samstag abend im Saale zum Bayrischen Hof. Unter der Dirigentschaft des Herrn Sebastian Schwarz betrat der Verein mit 80 Sängern das Podium. Frl. Maria Kullmann trug den bis heute erhalten gebliebenen Prolog von Herrn Lehrer Schwarz vor. Der gespendete Beifall zeigte, dass die Zuhörerschaft von der guten Vortragskunst begeistert war.

Im Laufe des Sonntagvormittags trafen 40 Gastvereine und sieben Musikkapellen aus nah und fern ein, um gegen 2 Uhr in einem gigantischen Festzug durch die festlich geschmückten Straßen zum Festplatz unter den Tannen zu marschieren. Dieser war gerade groß genug, um die gewaltige Menschenmenge aufzunehmen. Der Weg glich einem Fahnenwald, unterbrochen vom Tannengrün der Triumphbögen. Auf dem Festplatz kam unter anderem ein Massenchor, gesungen von ca. 800 Stimmen, zum Vortrag. „Unter Gesang und Musik” entwickelte sich dort – verschönt durch die Gunst des Wettergottes – bald ein buntes Treiben und alle jene, die diesen Fest­sonntag miterlebten, gedenken heute noch, mit Stolz und Genugtuung,  der froh verlebten Stunden.

Der Festmontag brachte denen, die noch Durst vom Sonntag hatten, vor allem wieder einen gemütlichen Frühschoppen im Vereinslokale. Nachmit­tags um 14.30 Uhr zog man wieder mit Musik zum Festplatz und jetzt sollte auch die Jugend auf ihre Rechnung kommen. Der Vergnügungsauschuss hatte für Schwebebaum und Kletterstamm gesorgt und wenn auch gar mancher Schlaue die Tage vorher trainiert hatte, so konnte er zur Belustigung der Zuschauer doch merken, dass mit des Geschickes Mächten kein ewiger Bund zu schließen ist. Die Belustigung für Kinder übte sogar auf die Erwach­senen einen solchen Reiz aus, dass gar mancher über den Schwebebaum steu­erte, wie aber einige dabei landeten, verschweigt der Chronist. Nachdem noch die Tanzlustigen ihr Tanzbein schwangen, die Durstigen sich labten, die Sangesfreudigen im friedlichen Wettstreit sich maßen, verging die Zeit wie im Fluge und jeder bedauerte, vom Festplatz Abschied nehmen zu müssen. Damit hat der Verein ein Fest hinter sich, auf das er stolz sein kann; denn Mainaschaffs Mauern bargen ein Fest in solchem Ausmaß, wie man es schwerlich hier wieder erleben wird. Ein Markstein in der Vereins­geschichte war damit wieder geschaffen und Dank gebührt auch heute noch der damaligen Vorstandschaft, die in einträchtiger, emsiger Zusammenar­beit mit dem Festausschuss und dem Dirigenten einen Glanzpunkt geschaf­fen haben.

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Der AGV Edelweiß nahm am 18. Oktober 1925 am Wertungssingen des Deutschen Arbeiter-Sänger-Bundes in Aschaffenburg teil. In der Bildergalerie findet man die Bewertungen, die veröffentlicht wurden und bei denen der Wertungsrichter kein Blatt vor den Mund nahm! In der folgenden Galerie wird der “Edelweiß” auf Seite 9 beurteilt:

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Das Jahr 1925 war bis dato das erfolgreichste in der Vereinsgeschichte.

Am 07.04.1926 bewegte sich durch die Straßen des Dorfes ein Lampionzug zum Hause des Primizianten Karl Schwarz. Die Gesangvereine “Edelweiß” und “Melomania” begrüßten den hochwürdigen Herren mit einem Massenchor. Die Kapelle Schwarz umrahmte die Willkommensfeier und auch der Kirchenchor trug ein Lied vor.

Auch im Jahre 1926 beteiligte sich der Verein am Konkurrenzsingen des Rhein-Main-Gaues in Babenhausen was deshalb erwähnenswert erscheint, weil der Verein unter 18 Teil­nehmervereinen als der beste hervorging. Professor Max Bartsch aus Frankfurt be­zeichnete die Leistung als „rein von allen Mängeln.” Die Kritik des Wertungsrichters über den “Edelweiß” finden Sie auf Seite 8 in der folgenden Galerie:

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Ebenfalls unvergessen: Der Name “Edelweiß” ist untrennbar mit seinen aufgeführten Operetten, Singspielen, Volksstücken und Komödien verbunden. Alljährlich, meistens zur Weihnachtszeit, rüstete sich die Laienspielschar zum beliebten Edelweiß-Theater. Die Aufführungen sind namentlich seit 1926 aufgezeichnet und endeten 1970. Zwar wurde bereits vor 1926 Theater gespielt, aber kurioserweise hielten die Chronisten die Stücke nicht namentlich fest. Große Verdienste hatten sich bei all diesen Aufführungen verschiedene Sänger wie Ignaz Roth, Sebastian Merget, Martin Schlett und weitere als Regisseure erworben.

Der Gesangverein “Edelweiß” hatte am 1. Weihnachtsfeiertage 1926 zu einer Weihnachtsfeier eingeladen, die einen wirklich glänzenden Verlauf nahm. Nach einem Musikvortrag des Vereinsorchesters sang der Chor unter Leitung seines Dirigenten Herrn Schwarz “Hymne an die Nacht”, die bei den Hörern einen tiefen Eindruck hinterließ. Die vorzügliche Auswahl des Singspiels „Jung muss man sein, wenn man lieben will“ und das Volksstück „Der Wilderer“ fanden brausenden und ungeteilten Beifall.

1927 konnte der Verein am 05. Juni mit einem Festkommers den neuen Saalbau der Vereinsgaststätte »Zum Schwanen« einweihen und beziehen.

Am Sonntag 01.01.1928 gab der Gesangverein “Edelweiß” eine Wiederholung seiner Weihnachtsauffüh­rung von Webers Opernschauspiel “Preciosa”. Obwohl das Schauspiel in der Weihnachtszeit schon zweimal vom “Edelweiß” aufgeführt worden war (Auch der Gesangverein “Melomania” hatte das Stück an seiner Weih­nachtsfeier aufgeführt), wies der große Schwanensaal bei der dritten Aufführung doch volle Besetzung auf. Die Zuhörer die vielfach von auswärts waren, bezollten stürmischen Beifall an den Aktschlüssen, dass sie durch die schauspielerisch, musikalisch und szenisch auf beträchtli­cher Höhe stehende Darbietung mitgerissen wurden. Sehr gut gefiel auch das im flotten Tempo herausgebrachte Lustspiel “Der Frechdachs”. Die Pausen wurden in dankenswerter Weise durch einige Gesangsstücke angenehm abgekürzt. Als Resultat der gediegenen Lei­stung konnte ein ganz hübscher Betrag an den Kirchenbaufond abgeliefert werden.

Durch Einflüsse, die den Verein immer mehr gefährdeteten, war derselbe gezwungen, sich umzustellen und somit trat der Verein am 05.05.1928 mit einer Mehrheit von 30 gegen 13 Stimmen aus dem Deutschen Arbeitersängerbund aus. Vorstand Theodor Bernhard führte aus, dass der Gesangverein Edelweiß angesichts dieser »Situationen« sonst nicht auf der Höhe bleiben könne. Der Verein schloss sich ab dem 01.01.1929 dem Maintal-Sängerbund an.

Am 13.01.1929 legte Theodor Bernhard zum großen Bedauern der Sänger nach fünfjähriger Schaffenskraft sein Amt als Vorstand nieder und es trat Karl Vongries an seine Stelle.

1929 unternahm der Verein einen vergnüglichen Ausflug nach Heigenbrücken. Siehe Bild!

1=Hauck Katharina, geb. Glaab / 2=Roth Katharina, geb. Fecher / 3= Imhof Frieda, geb. Egner / 4= Messenzehl Erna, geb. Scheuermann / 5=nn / 6=Deibert Peter / 7=nn / 8=Roth Christian / 9=Roth Ignaz / 10 11 12=nn / 13=Brehm Nikolaus / 14=nn / 15=Hauck Veronika, geb. Depp / 16=Sorg Katharina, geb. Roth / 17=Welzbacher Gertraud Elisabeth, geb. Koch / 18=Deibert Helmut / 19=Lederer Hilda, geb. Deibert / 20=Deibert Margaretha, geb. Braun / 21=Hauck Maria, geb. Scherer / 22=Messenzehl Georg / 23=nn / 24=Imhof Willi / 25=Schwarz Sebastian (Dirigent)/ 26=nn / 27=Hauck Josef / 28=Happel Stephan / 29=Fleckenstein Jakob / 30=Hock Frieda, geb. Eitzenhöfer / 31=Roth Katharina, geb. Hock / 32=Roth Ella, geb. Roth / 33=Roth Josef / 34=Imhof Alfred / 35=Messenzehl Stefanie, geb. Schwarz / 36 =Messenzehl Gottfried / 37=Roth Helmut / 38=Schwarz Theo / 39=Klein Michael / 40=Hauck Adam / 41=Hauck Babette, geb. Strobel / 42=nn.

1930 war der Verein, wie schon viele Jahre zuvor, auch in der Faschingszeit besonders aktiv.

Faschingsgruppe Edelweiß (1930)

Der Gesangverein Edelweiß veranstaltete am 1. Osterfeiertage 1930 im Saalbau “Zum Schwanen” einen Theaterabend. Chorvorträge wechselten mit humoristischen Vorträgen, einem Schwank und einer urkomischen Operette. Die Darbietungen verrieten ohne Ausnahme gute Schulung, fleißige Übung und Verständnis für die Sache. Heiterste Stimmung erzielten besonders die Darsteller der beiden Theaterstücke, deren humorvolle Verwicklungen und Situationen die Zuhörer wieder einmal herzlich zum Lachen bringen konnten. Die Musikkapelle Schwarz bot wie immer vorzügliche Musikstücke als Einlagen. Der Abend war sehr gut besucht und ein voller Erfolg des strebsamen Vereins.

40 Jahre Edelweiß

Die Zeit war gekommen, das 40-jährige Stiftungsfest zu feiern, doch die Zeiten um das Jahr 1933 waren sehr schlecht. So zögerte man lange mit der Entscheidung für das Fest, auf die sonst gewohnten Festdamen musste verzichtet werden, der Eintrittspreis wurde auf nur 20 Pfennig festgesetzt. Zu allem Überfluss meinte es der Wettergott nicht besonders gut mit den Sängern. Ein böses Vorzeichen?

In einer außerordentlichen Generalversammlung wurde laut Bundeszeitung am 30.06.1933 der Verein gleichgeschaltet. (Siehe Artikel → Arbeiter-Gesangvereine) Die Vorstandschaft musste ihr Amt niederlegen. Die nationalsozialistische Ära begann und das Staatsregime forderte, die Vereinsarbeit im Sinne der Nazis zu führen. Mit dem deutschen Lied sollte Führer, Volk und Vaterland gedient werden.

Liedertag vom 10.06.1934 bei "Harmonie" Pflaumheim Vlnr: Ludwig Hock, Adam Roth, Otto Stegmann, Hermann Schwarzkopf, Ludwig Hauck, Willi Lang

Liedertag vom 10.06.1934 bei „Harmonie“ Pflaumheim Vlnr: Ludwig Hock, Adam Roth, Otto Stegmann, Hermann Schwarzkopf, Ludwig Hauck, Willi Lang

1934 gab Herr Sebastian Schwarz nach 20-jähriger Dirigententätigkeit sein Amt endgültig ab und übergab den Dirigentenstab an Herrn Clemens Kuhn aus Kleinwelzheim.

Heinrich_Oppermann

Heinrich Oppermann

Bereits 1936 übergab dieser den Taktstock an Herrn Heinrich Oppermann (*08.06.1904 – †16.04.1976), der den Chor in der schweren Zeit bis 1950 leitete. Mit Chormeister Oppermann konnte der Verein große Erfolge verzeichnen.

An der Schwelle des Jahres 1941/42 verzeichnet das Protokoll:

Mit Stolz und Zuversicht schreiten wir in das Jahr 1942, welches das Entscheidendste in unserer Geschichte sein wird. Wir hoffen, dass in diesem Jahr der Sieg für Deutschland errungen wird. Wir hoffen, dass damit alle im Felde stehenden Sangeskameraden, von denen wir Gott sei Dank noch keinen verloren haben, gesund und wohlbehalten in unsere Vereinsfamilie zurückkehren. Die Geschichte wendete jedoch ihr Blatt und der 2. Weltkrieg brachte das Vereinsleben ein zweites Mal zum Erliegen.

Eine nette Überraschung bereitete Bürgermeister Bernhard der Bevölkerung am Weihnachtsabend des Jahres 1942. Aus dem Rathaus wurde durch die neue Großlautsprecheranlage für das gesamte Ortsnetz eine Weihnachtsfeier übertragen. Ein Doppelquartett, zusammengestellt aus den beiden Gesangvereinen Edelweiß und Melomania unter Leitung von Stefan Schlett, trug ausgewählte Weihnachtslieder vor.